Campus Interview Max Schmidt über KI-Trends 2024

Start-ups

Mit der KI-Lösung von aisencia lassen sich mittlerweile über 80% der täglichen Derma-Fälle im Pathologielabor unterstützen. Nächstes Ziel: Seltene Hauterkrankungen.

BVDD

Von der Mikroskopie ins digitale Zeitalter will aisencia die histopathologische Diagnostik führen. Digiderma im Gespräch mit CRO und KI-Forscher Max Schmidt.

Lieber Max, bei unserem letzten Treffen Ende 2023 konnte eure KI ca. 40 verschiedene Hautkrankheiten erkennen und klassifizieren. Sind neue dazu gekommen seitdem?

Bei den 40+ Hautdiagnosen unserer Cutaneos 80 KI haben wir uns in den vergangenen Monaten vor allem um die weitere Differenzierung einzelner Subtypen gekümmert. Mit dieser KI-Lösung lassen sich mittlerweile über 80% der täglichen Derma-Fälle im Pathologielabor unterstützen. Parallel forschen und entwickeln wir an KI für spezielle Anwendungsbereiche, z.B. Nagelproben, Gewebe aus dem Mundraum oder auch die Untersuchung von Lymphknoten. Durch die Vielfalt gibt es im Derma-Bereich auf jeden Fall noch genug zu tun.

Was ist bei euch inzwischen technologisch so alles passiert? Was sind eure KI-Learnings 2024?

Der große KI-Trend 2024 sind sicherlich die sogenannten Foundation Models. Darunter versteht man KI-Modelle, die auf einer enormen Anzahl von Daten trainiert wurden bei denen die Labels/Annotationen automatisch während des Trainings erstellt werden. Man spricht auch von selbstüberwachtem Lernen (Self-Supervised Learning). Bei Sprachmodellen kann man sich das zum Beispiel so vorstellen, dass Teile eines Satzes für die KI ausgeblendet werden und diese dann im Training lernen muss, den fehlenden Satzteil zu ergänzen. Im besten Fall kann die KI mit diesem Vorgehen selbstständig ein Verständnis für die Struktur der Sprache oder in unserem Fall den Aufbau von Hautgewebe und Läsionen erlernen.

Unser Derma Foundation Model ist die Ausgangsbasis für ein anschließendes Feintuning für spezielle Aufgaben, z.B. die Erkennung von Merkelzellkarzinomen in histologischen Schnitten. Hier braucht es weniger Annotationen von den Patholog:innen als bisher um gute Erkennungsraten zu erzielen und das Modell lässt sich flexibel um weitere Aufgaben und Krankheitsbilder erweitern. Das Ziel ist es, so auch für seltene Hauterkrankungen eine passende KI-Unterstützung bieten zu können.


Die Zusammenarbeit mit Derma-Patholog:innen und deren Feedback ist ja ein zentraler Bestandteil eurer Arbeit: berichte uns doch kurz, mit wem ihr derzeit zusammenarbeitet und welche Früchte das trägt – sowohl für aisencia, als auch für die beteiligten Patholog:innen?

Bei unseren Kooperationen versuchen wir die ganze Bandbreite an Dermatopathologielaboren abzudecken und unser Netzwerk auch kontinuierlich zu erweitern. Dabei sind dann klassische Einsendelabore wie die Dermatopathologie bei Mainz, Hautarztpraxen mit eigenem Patho-Labor wie bei CentroDerm in Wuppertal und natürlich auch (Uni-)Kliniken, u.a. in Bonn, Essen, Leipzig oder die Charité in Berlin. Somit können wir die unterschiedlichen Bedürfnisse in den einzelnen Labortypen gut erfassen und gleichzeitig auf das medizinische Wissen von führenden Expert:innen zurückgreifen.

Auf der anderen Seite lernen die Patholog:innen mehr über die Arbeitsweise der KI, können bei Design & Usability mitbestimmen und die für sie relevantesten Probleme aus der Praxis in den Fokus rücken. So können zusammen effektive Lösungen für den Berufsalltag geschaffen werden, die die Effizienz und Qualität der Diagnostik weiter steigert.

Ihr habt beim EXIST Kongress 2024 den zweiten Preis des Start-up Awards in der Kategorie "pre-seed" gewonnen. Was bedeutet das für aisencia?

Bei der EXIST Veranstaltung den zweiten Platz zu machen, hat uns riesig gefreut – insbesondere da es mit der Feier zu 25 Jahren EXIST ein ganz spezieller Anlass war. So eine Platzierung erhöht natürlich die Sichtbarkeit von aisencia und kann zu neuen, spannenden Kontakten oder auch Jobbewerbungen führen. Außerdem haben wir ein Wildcard Ticket für die Stage Two 2024 gewonnen. Dort dürfen wir unsere Lösung vor Investoren und Wirtschaftsvertretern pitchen – eine Riesenchance!

Die erfolgreiche CE-Zertifizierung eures Produktes ist ja ein weiterer Wunsch, und auch so ein wenig ein "pain point". Wie weit seid ihr inzwischen mit diesem bekanntermaßen langwierigen Prozess?

Die CE-Zertifizierung ist wohl für jedes Start-Up im Medizinbereich eine der größten Hürden beim Markteintritt. Glücklicherweise konnten wir erfahrene Kräfte für den Aufbau einer eigenen Regulatory Abteilung gewinnen. So ist es uns gelungen, unsere Produktpalette aufzuteilen und nicht mit einer "Mammutlösung" in die Zertifizierung zu gehen. Mit der passenden Strategie kann man hier eine Menge Zeit und Geld sparen. Unser Laborinformationsystem Vistaneos LIS ist mittlerweile für Dermatopathologien erhältlich. Bis Ende des Jahres folgt dann voraussichtlich unser erste CE-zertifizierte Medizinsoftware.

 

ssey/BVDD