Interview BVDD-Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski spricht mit änd über Hautcheck-Apps

"Apps können immer dann zur Versorgung beitragen, wenn es um standardisierbare Leistungen geht oder um Behandlungsalgorithmen."

BVDD-Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski BVDD

Was Hautcheck-Apps aktuell in der Dermatologie leisten können und wo sie an Grenzen stoßen, hat der Ärztenachrichtendienst mit BVDD-Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski diskutiert. Hier ein Auszug aus dem Interview, der speziell auf die komplexen Herausforderungen von teledermatologischen Anwendungen aus fachärztlichem Blickwinkel eingeht.

änd: Herr Dr. von Kiedrowski, welche Hautcheck-Apps gibt es derzeit und wie genau funktionieren sie?

von Kiedrowski: Das ist ein etwas schwieriges Feld aktuell, weil der Begriff „Hautcheck“ unterschiedlich verstanden wird. Es gibt rund acht bis zehn teledermatologische Apps, mit denen man generell unklare Hautveränderungen beziehungsweise -erkrankungen „checken“ lassen kann, andere sind fokussiert auf die Hautkrebs- und Melanomerkennung. Meist sind es überregionale oder sogar unbekannte Telemedizinärztinnen und -ärzte, nur bei einer App – OnlineDoctor – können die Benutzerinnen und Benutzer sich auch konkret die dermatologische Praxis in Wohnortnähe für ihre Beratung aussuchen.

Hinzu kommt, dass laut Beschluss des Deutschen Ärztetags 2023 generell von Telemedizinärztinnen und -ärzten geprüft werden muss, ob eine teledermatologische Behandlung überhaupt infrage kommt oder die Nutzerinnen und Nutzer dieser App live in einer Praxis vorstellig werden sollten beziehungsweise müssen. Dies schränkt meines Erachtens einige dieser Apps ein, wenn Anfragen von überregional dann durch solche Start-up-Unternehmen bearbeitet werden, weil eben keine Überleitung in die Präsenzmedizin möglich ist.  [...]

änd: Was sind aus fachärztlicher Sicht die Schwächen und Stärken von Hautcheck-Apps?

von Kiedrowski: Gerade die Beurteilung von neu aufgetretenen oder veränderten Muttermalen – speziell bezüglich eines möglichen Verdachts auf schwarzen Hautkrebs – beurteilt die dermatologische Fachwelt und explizit auch der Berufsverband der Deutschen Dermatologen zumindest momentan noch durchaus kritisch. Zumal die meisten dieser Apps inzwischen mit – manchmal auch ausschließlich – künstlicher Intelligenz arbeiten. Da liefert die klassische Auflichtmikroskopie im Live-Kontakt nach wie vor die bessere und leitliniengerechte Diagnostik. Gerade hier reichen Fotos einfach nicht aus und unterschreiten meiner Ansicht nach den fachärztlichen Standard.

Einerseits nehmen telemedizinische Anwendungen und Apps den dermatologischen Praxen manche Bagatellfälle ab, was den Praxisalltag durchaus erleichtert. Andererseits landen dann in den Praxen immer mehr schwerer erkrankte Patientinnen und Patienten, die eine kosten- und betreuungsintensive Behandlung benötigen, beispielsweise mit Psoriasis oder atopischer Dermatitis. Wenn aber niedergelassene Praxen nur überwiegend schwer erkrankte Patientinnen und Patienten behandeln, zwingt sie das irgendwann in die Knie, da die benötigte Querfinanzierung über Bagatellfälle dann fehlt. Denn wir brauchen schlichtweg ausreichende Honorare für die wirklich Kranken! Und die Krankenkassen denken bei der Integration von Teledermatologie und der Finanzierung entsprechender Diagnosetools vor allem an Kostenreduktion und nicht an die Verbesserung von Gesundheitsleistungen.

Und nicht alle Apps arbeiten [...] mit fertig ausgebildeten Dermatologinnen und Dermatologen, was die Qualität der Bewertungen und der Apps durchaus infrage stellt. Dermatologie ist schlichtweg nicht zu 100 Prozent visuell! Ein weiteres Problem ist die ambulante Weiterbehandlung von telemedizinisch bereits vorbehandelten oder vordiagnostizierten Patientinnen und Patienten, die wir Niedergelassenen dann stemmen sollen oder müssen.  [...]

änd: Was aber können diese Apps denn jetzt schon konkret leisten?

von Kiedrowski: Speziell bei unklaren dermatologischen Krankheitsbildern geht da inzwischen durchaus viel. Rund 85 Prozent aller dermatologischen, per Telemedizin vorgestellten Krankheitsbilder sind auch teledermatologisch zu lösen. Es existieren inzwischen auch Apps zur Diagnostik sexuell übertragbarer Erkrankungen, die recht gut funktionieren. Allerdings gibt es dann in der Folge nicht immer bei Bedarf erforderliche Rezepte, sodass die Betroffenen da- für dann dennoch eine Praxiskonsultation benötigen. [...]

änd: Wie beurteilen Sie die Zukunft der Teledermatologie mitsamt eingebundener KI?

von Kiedrowski: Da sehe ich durchaus großes telemedizinisches Potenzial, dessen Bedeutung künftig sicherlich weiter steigen wird – allein schon bei der Verlaufskontrolle bestimmter dermatologischer Erkrankungen, die es dann auch den Versicherten leichter machen wird.

Teledermatologie kann schon jetzt priorisieren und vorfiltern und Bagatellfälle aus dem niedergelassenen Praxisbereich raushalten, was angesichts der Terminknappheit ja durchaus von Vorteil ist. Apps können immer dann zur Versorgung beitragen, wenn es um standardisierbare Leistungen geht oder um Behandlungsalgorithmen. Andererseits ist, wie bereits erwähnt, die fachärztliche Kompetenz beziehungsweise ein Standard bei manchen Apps nicht immer gegeben.

Und die zunehmend eingebundene KI wird zumindest künftig eine immer wichtigere und zunehmend wertvolle Assistenz dabei bieten. Aber die ChatBots stellen halt momentan noch keine schlüssigen Nachfragen, was zu Anamneselücken führen kann. Daraus wiederum ergibt sich die juristische Frage, inwieweit eine KI-unterstützte teledermatologische Begutachtung tatsächlich verbindlich und „lege artis“ ist. Dahingehend gibt es noch viele offene Rechtsfragen. [...]

änd: Wie bewertet der BVDD generell die Teledermatologie?

von Kiedrowski: Wir stehen dem absolut offen gegenüber, auch wenn sich diese Angebote künftig auch in der Finanzierung noch besser und auch anders darstellen sollten. Der Berufsverband hat beispielsweise diesbezüglich das Digi Derma Start-up Café oder auch den Digi Derma Campus ins Leben gerufen zum Erarbeiten neuer Konzepte. Denn zweifellos ist die Digitalisierung im Gesundheitswesen immer mehr auf dem Vormarsch und wir Dermatologin- nen und Dermatologen werden dies auch nutzen.

(C) Jutta Heinze. Erstveröffentlichung: Ärztenachrichtendienst, Nachdruck in „Deutsche Dermatologie“ (06724)